Beobachtungen

neulich im Supermarkt...

da steht sie, Fräulein Edelvernatsch. Sie trägt ein dunkelblaues ausgewaschenes T-Shirt,
dazu eine eng anliegende, an den Knien ausgebeulte weiße Leggins und weiße Gesundheits-
schuhe mit Poren. Ihre Haut ist weiß und schlecht durchblutet. Die Ellebogen kantig, wie die 
Knie. Lockige, kurze, stumpfe Haare umspielen das holprige Gesicht. Eine Brille sitzt auf der
fleischigen Nase. Sie ist mürrisch.
Auf dem Fließband an der Kasse, bewegt sich eine Flasche Edelvernatsch und eine SZ langsam
Richtung Kassiererin. Fräulein Edelvernatsch hat nur eine Flasche auf das Fließband gestellt, die anderen fünf stehen ordentlich aneinandergereiht im Einkaufswagen.
Sie besorgt sich ihren Stoff, das weiß jeder, der sie sieht. Sie weiß auch, daß sie niemand daran hindern wird - leider und zum Glück. Sie empfände es als Frechheit und gleichzeitig als Besorgnis, würde man sie auf ihren Einkauf ansprechen. Es wäre Anteilnahme und Bevormundung sie zu konfrontieren.
Die Kassiererin zeiht die Flasche über den Scanner und nimmt den Preis mal sechs. Sie vermeidet einen fragenden Blick. Wie auch die Menschen vor und hinter Fräulein Edelvernatsch.
Die Situation wird normal abgewickelt, obwohl sie sonderlich ist.
Wohlwissend, daß sie nicht  und sehr beobachtet wird, zahlt Fräulein Edelvernatsch die SZ und den Wein. Aus einem kleinen Geldbeutel nimmt sie das Geld und legt es der Kassiererin mit zitternden Händen in die Hand. Fräulein Edelvernatsch brummelt unverständlich, während sie zahlt. Sie will nur nachhause. Es ist neun Uhr morgens.